Von Silke Nierfeld | 10.09.2024 | Lesezeit ca. 5 Minuten

Die Grenzen des Verstandes verstehen und ĂĽberwinden

Der Verstand hat das Image eines objektiven Problemlösers. Tatsächlich führt seine Funktionsweise zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. Dieser Artikel beleuchtet die Grenzen des Verstandes und zeigt Wege auf, wie man diese Herausforderungen überwinden kann.

Ein Affe als Symbol des Monkey Minds, des unfokussierten Verstandes

Was ist eigentlich der Verstand?

Der Verstand ist die Fähigkeit des Menschen, Informationen zu verarbeiten, zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Seine Funktionsweise beruht jedoch auf Trennung und Relativierung. Das führt in der Regel dazu, dass Menschen davon überzeugt sind, dass die Welt so ist, wie ihr Verstand sie wahrnimmt. Die vorherrschende Meinung, rationales Denken sei sachlich und objektiv, sollte hinterfragt werden.

Der Verstand ist ein wichtiges Werkzeug zur Umsetzung von Ideen in vielen Kontexten. Als Organ der Welterkenntnis ist er leider eine Fehlbesetzung, denn er kann nur einen Ausschnitt des Ganzen erfassen. Ein tieferes Verständnis seiner Funktionsweise kann helfen, potenzielle Einschränkungen zu erkennen und sich von Verzerrungen zu befreien.

Die 10 Herausforderungen des Verstandes:

Aufzählungszeichen#1 Fragmentierende Sichtweise
Der Verstand zerlegt die (prozesshafte, untrennbare) Wirklichkeit in Subjekt und Objekt, Ich und Nicht-Ich. Mit dieser Fragmentierung gehen Ängste einher, denn als Einzelwesen ist der Mensch ständig gefährdet.

Aufzählungszeichen#2 Blinde Flecken
Der Verstand ist davon überzeugt, eine objektive Realität wahrzunehmen. Dabei übersieht er, dass die wahrgenommene Realität ein Spiegel seiner Erfahrungen, Glaubenssätzen, Illusionen und Überzeugungen geprägt ist.

Aufzählungszeichen#3 Prägung (Pseudo-Subjektivität)
Die Gedanken des Verstandes sind nicht rein subjektiv, sondern von kulturellen, sozialen oder politischen Normen beeinflusst. Man könnte sie auch als systemisch infiltriert bezeichnen, ein Phänomen, das die Entwicklungstheorie Spiral Dynamics untersucht hat. 

Aufzählungszeichen#4 Musterbildung
Der Verstand bildet Muster und Strukturen, die er wiederholt, auch wenn sich die Umstände geändert haben. Dies kann zu Monotonie führen und natürlichen Wandel erschweren.

Aufzählungszeichen#5 Verschlimmerung
Empfindungen werden durch die Interpretation des Verstandes zu GefĂĽhlen. Um negative GefĂĽhle zu vermeiden, versucht der Mensch sein Leben zu steuern und zu kontrollieren. Das ist nicht nur unglaublich anstrengend, sondern auch kontraproduktiv. Die Vermeidungsstrategien erzeugen disharmonische Schwingungen, die ihre Entsprechungen anziehen.

Aufzählungszeichen#6 Selbsteinschränkung
Die dualistische Funktionsweise des Verstandes führt zur Kategorisierung der Dinge in gut und böse, richtig und falsch. Auch die eigene Persönlichkeit wird dieser Ordnung unterworfen, was zu einer Unterdrückung bestimmter Persönlichkeitsanteile und zu einem dauerhaften Konflikt führen kann.

Aufzählungszeichen#7 Selbstsabotage 
Der Verstand neigt dazu, auch unproduktives Verhalten zu rechtfertigen, anstatt den Ursachen selbstschädigenden Verhaltens auf den Grund zu gehen.

Aufzählungszeichen#8 Ăśberschätzung der eigenen Perspektive 
Der Verstand neigt dazu, die eigene Sichtweise zu verabsolutieren und sich ein Urteil ĂĽber andere anzumaĂźen.

Aufzählungszeichen#9 Fehlende Präsenz
Das Ursache-Wirkung-Denken lässt den Verstand zwischen Vergangenheit und Zukunft pendeln. Das Hier und Jetzt ist ihm verschlossen, so dass seine Strategien häufig unterkomplex sind.

Aufzählungszeichen#10 Gedankenflut (Monkey-Mind)
Der Verstand produziert täglich eine Vielzahl von Gedanken, von denen die wenigsten etwas mit der Außenwelt zu tun haben. Er kann nicht zur Ruhe kommen. Frieden und Stille kann es nur geben, wenn er schweigt.

Die Auswirkungen der Verstandestätigkeit

Der Verstand erzeugt ständig Vorstellungen davon, wie die Dinge sein sollten. Damit trennt er den Menschen von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens. Seine Soll-Ist-Logik führt dazu, dass der Betreffende nur noch in seiner Gedankenwelt lebt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Erwachen bedeutet, sich dessen bewusst zu werden.

Menschen identifizieren sich mit ihren Gedanken und Gefühlen und glauben fälschlicherweise, dass äußere Umstände die Ursache ihres Leidens sind. Die Überzeugung, dass ihre Wahrnehmung der objektiven Realität entspricht, hält sie in einem Kreislauf von Hoffnung und Enttäuschung gefangen.

Im subjektiven Erleben erscheinen andere als Verursacher des Leidens. Tatsächlich sind äußere Faktoren nur Auslöser, nicht Ursache von Gefühlen. Jeder Mensch produziert seine Gedanken und Gefühle selbst und hat die Fähigkeit, sein inneres Erleben zu verändern.

Never mind the mind.

Ramana Maharshi

Ausbruch aus dem Gefängnis der Gedanken

Transformation bedeutet, auf eine höhere Bewusstseinsebene zu gelangen. Den Verstand zur Ruhe zu bringen und den Gedanken ihre Macht zu entziehen ist der übliche Weg, der mit Mediation, Achtsamkeit und anderen Methoden unterstützt wird.

Unser Ansatz ist es, diesen Vorgang umzukehren. Reinventing Transformation ist ein Prozess des Bewusstwerdens der Seele, die das wahre Wesen des Menschen – und seine Verbindung zu den höheren Dimensionen der Wirklichkeit ist. Die Kräfte der Seele transformieren die niedere menschliche Natur, indem sie das Denken durchlichten und es von Illusionen und Begrenzungen befreien. Wenn die Seele in den Vordergrund tritt, werden die teilweise egoistischen und disharmonischen Aspekte der Persönlichkeit geeint. Der Hauptunterschied besteht darin, dass Handlungen nicht mehr aus Bedürftigkeit oder Angst erfolgen, sondern aus Liebe, denn dies ist das wahre Wesen des Menschen und der Natur.

Alles, was du jemals wolltest, liegt auf der anderen Seite der Angst

George Adair

Fazit zum FĂĽhrungsbedarf des Verstandes

Der Verstand ist ein Werkzeug der Analyse, der Konkretisierung und der Zerlegung sowie eine Instanz der Ich-Zentrierung. Es ist also kein Wunder, dass das rationale Zeitalter von technischem Fortschritt und Mechanisierung, von Stress, Egoismus und Konflikten geprägt ist.

Die größte Schwäche des Verstandes ist seine Selbstblindheit – die Unfähigkeit, die eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen. Seine relative Funktionsweise verzerrt die Wirklichkeit und projiziert Konflikte nach außen. Da er zudem mit einem kaskadierenden Abwehrsystem ausgestattet ist, sind Veränderungsprozesse, die vom Verstand ausgehen, selten erfolgreich. Das Niedere wird durch das Höhere gewandelt, wenn man sich ihm öffnet. Die Bewusstwerdung der Seele ist für jeden Menschen von immensem Interesse und kann in Organisationen als Kulturwandel stattfinden – und durch Transformation Coaching unterstützt werden.

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