Von Silke Nierfeld | 02.09.2025 | Lesezeit ca. 7 Minuten
Die transformative Kraft der Ganzheit
Holistisches Denken erfasst die Komplexität der Wirklichkeit, weil es über die Begrenzungen von Raum und Zeit hinausgeht. In diesem umfassenden Weltverständnis liegt nicht nur die Lösung für die grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit, sondern auch der Schlüssel zu einer neuen Lebensqualität.
Holismus ist die Lehre vom Ganzen
Holismus von holos, griechisch ganz, ist eine Lehre, die analog zur Definition von Ganzheitlichkeit besagt, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Begriff Holismus wurde von dem Südafrikaner Jan Christiaan Smuts (1870 – 1950) geprägt. Den systematischen Ansatz entwickelte der englische Biologe John Scott Haldane (1860 – 1936).
Der Holismus ist eine zusammenhängende Theorie der Natur- und Geisteswissenschaften, nach der alle Existenzformen im Universum (physikalische, biologische, aber auch kulturelle) die Tendenz aufweisen, sich zu höher integrierten, harmonischeren Einheiten zusammenzuschließen. Mit der Ganzheit entsteht etwas Neues und Komplexeres.
Holismus einfach erklärt
Der Taoismus bietet ein leicht verständliches, holistisches Weltbild. Er besagt, dass sich der Kosmos aus dem Zusammenspiel antagonistischer Kräfte entwickelt. Die Zusammengehörigkeit vermeintlicher Gegensätze ist das oberste Prinzip. Die Spannung zwischen den Polaritäten ist notwendig, damit Lebendigkeit entstehen kann.
Yin und Yang sind keine Gegensätze, sondern Komplementäre. Das eine kann ohne das andere nicht sein. Das Yin-Yang-Prinzip ist kein gewöhnlicher Dualismus, sondern eine explizite Zweiheit, die eine implizite Einheit zum Ausdruck bringt. Hier einige Beispiele:
Das Taijitu, das Symbol für Yin und Yang, zeigt die Dreieinigkeit des Lebens. Die komplementären Kräfte, die das Leben entfalten, sind durch eine dritte Kraft verbunden. Diese magnetische Kraft ist die Liebe der Seele, symbolisiert durch die silbernen Linien. Das bedeutet, dass nicht nur die Polaritäten einer Kategorie wie heiß und kalt oder Licht und Dunkelheit untrennbar sind, sondern alle Dimensionen.
Die Quantentheorie bestätigt dieses Weltbild. Sie beschreibt das Universum als ein dynamisches, unteilbares Ganzes, das den Beobachter einschließt. Die Grenzen von Raum und Zeit, Materie und Dinglichkeit haben keine Bedeutung mehr. Alles ist Verbundenheit (Geist), Bewegung, Energie.
Nicht nur ist alles im Wandel, sondern es ist Wandel. Das heißt, das, was ist, ist der Prozess des Werdens selbst, während alle Objekte, Ereignisse, Entitäten, Umstände, Strukturen usw. Formen sind, die sich von diesem Prozess ableiten lassen.
David Bohm
Der Paradigmenwechsel zur Ganzheit
Während rationale Analyse Einzelstrukturen erkennt, betrachtet systemisches Denken Relationen und Dynamik. Holistisches Denken geht meta-systemisch vor: Es betrachtet Ursprung und Gegenwart als ungetrennten Prozess.
Die prozesshafte Natur erscheint in einzigartigen Momenten. Wer sie erfassen will, braucht ein Denken, das frei von Inhalten ist. Solange der Geist konditioniert ist, folgt seine Reaktion alten Mustern.
Lebendigkeit entfaltet sich im ständigen Übergang zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Eigenem und Fremdem, Einzelnem und Ganzem, Begrenztem und Unbegrenztem, Ewigen und Vergänglichem.
Lösungen entstehen weder im Entweder-oder, noch im Sowohl-als-auch, sondern auf der Ursprungsebene, auf der die Dinge noch ungetrennt sind.
Die Logik des Lebendigen
Hier werden die inneren Prozesse sichtbar, die Systeme nicht nur strukturell, sondern in der Dynamik ihres Wandels erfassen. Wer Veränderung bereits im Keim erkennt, kann zeitgemäß handeln und sich an den Naturverlauf anpassen.
Die Erkenntnis, wie sich die Natur selbst organisiert (Yin), ergänzt die ordnende Kraft des Verstandes (Yang). Wo beides zusammenwirkt, entsteht Wandlungsfähigkeit. Wu-Wei – die Weisheit, nicht gegen die Natur zu handeln – zeigt sich als Spontaneität ohne Zentrum, als höchste Form der Offenheit gegenüber dem Wirklichen.
Der Mensch ist ein Teil des Ganzen. … Er erlebt sich selbst, wie auch seine Gedanken und Gefühle, als etwas vom Rest Getrenntes – eine Art optische Täuschung seines Bewusstseins.
Albert Einstein
Holistisches Denken bei Spiral Dynamics
Die Entwicklungstheorie Spiral Dynamics beschreibt präzise, wie sich Denkstrukturen oder Wertesysteme ( WMeme), in Wechselwirkung mit sich verändernden Umständen chronologisch entwickeln. Das Modell hilft zu verstehen, warum Menschen in gleichen Situationen unterschiedlich reagieren; jeder hat eine individuelle Mischung der WMeme.
Der Begründer des Modells Clare W. Graves stellte fest, dass sich das Bezugssystem des Menschen mit zunehmender Komplexität der Denkstrukturen von egozentrisch über ethnozentrisch zu weltzentrisch erweitert.
Er entdeckte auch einen höheren Rang von Werte-Systemen, die er als Second-Tier bezeichnete, was sie nicht sind. Integrale Denker, die den Beginn des zweiten Ranges darstellen, werden von Metamotivationen wie der Verwirklichung von Werten und höheren Potenzialen angetrieben, sie wollen keinen Erfolg auf Kosten anderer. Die türkisen oder holistischen Denker im Spiral Dynamics System sind auf das Wohlergehen aller Lebewesen ausgerichtet.
Graves unterlag dem Irrtum, diese Haltung als geistiges Bewusstsein zu bezeichnen, obwohl es mentale – und damit dualistische Konzepte sind. Geistiges Bewusstsein bedeutet Nondualität, die Freiheit von Trennung und Wertung.
Wie funktioniert holistisches Denken?
Holistisches Denken umfasst die drei Erfahrungswelten der Natur: die veränderliche physische Welt, die unveränderliche geistige Wirklichkeit und ihr Zusammenwirken in der Lebendigkeit des Daseins, dem ewigen Wandel.
Alle drei Welten können in der Sprache der Energie ausgedrückt werden, denn Energie ist der Urstoff der Welt, der sich nur in verschiedenen Formen ausdrückt. Energie fließt von selbst, wenn nichts ausgeschlossen wird. Es kommt darauf an, mit Veränderungen in Einklang zu sein und ihnen zu folgen. Das Kriterium für Entscheidungen ist: Was unterstützt die Energie und was blockiert sie?
Holistisches Denken enthält drei Komponenten
Wesentliche Aspekte der Ganzheitlichkeit
Analogie: Hinter jeder Erscheinung der physischen Welt steht ein geistiges Prinzip. Alles Physische ist nur ein Symbol, ein Abbild der geistigen Wirklichkeit. Die Beziehung zwischen immaterieller und materieller Welt, Mikrokosmos und Makrokosmos beruht auf dem universellen Gesetz der Analogie: wie innen, so außen: wie oben, so unten.
Nonkausalität: Zusammenhänge dürfen nicht als kausal verstanden werden, da dies eine Mechanik voraussetzen würde. Gleiche Umstände führen nicht zu gleichen Ergebnissen, denn die implizite Ordnung der Wirklichkeit ist sinnhaft und überschreitet die Grenzen von Raum und Zeit.
Leere, Unwissenheit: Die Natur entfaltet sich von Moment zu Moment. Nur ein leerer Geist, der zeitfrei lebt, kann die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind.
Die Wirkung holistischen Denkens
Die Welt ist voller Konflikte und Probleme, die durch rationales Denken geschaffen wurden. Das Herumdoktern am Mindset ändert nichts am Grundproblem: Der Verstand funktioniert wie eine Schere, die Wirklichkeit ist untrennbar. Den Verstand zu überschreiten und transrational zu denken ist der Ausweg aus dem Dilemma.
Mit holistischem Denken können Probleme unmittelbar gelöst und der Alltag transformiert werden. Das Denken prägt das Bewusstsein des Menschen. Der Wechsel vom trennenden zum nichttrennenden Denken, bringt ihn in Einklang mit der Natur – und sich selbst. Indem er sich von der Vergangenheit und mentalen Konzepten löst, kann er die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind.
Was nottut, ist ein neues Denken: das Denken mit Liebe! Denken mit Liebe überwindet Materialismus und Egoismus und führt zu dem, was alle Menschen bewußt oder unbewußt erstreben und benötigen: Harmonie. Harmonie ist Leben, Friede, Wahrheit, Seele, Liebe und Gesundheit.
Werner Braun
Fazit Holistisches Denken
Holistisches Denken beendet die konflikthafte Beziehung zur Welt, die durch das trennende Funktionieren des Verstandes entstanden ist. Menschen verlassen das Hamsterrad ihrer Überzeugungen und gestalten ihr Leben aus einer Position innerer Ruhe und Friedens. Sie erkennen, dass das Leben aus Erfahrungen – und nicht aus Denkmustern besteht.
Wir transformieren den Alltag von Menschen und Organisationen, durch die Vermittlung der dynamischen Prinzipien des holistischen Denkens anhand konkreter Problemlösungen. Reinventing Transformation ist Wandel ohne zermürbende Change Prozesse, weil es die inneren Dimensionen integriert, aus denen die äußere Welt entsteht.