Von Silke Nierfeld | 10.09.2024 | Lesezeit ca. 3 Minuten
Sozialer Jetlag belastet Arbeitnehmer ganz erheblich
Unter Jetlag leiden nicht nur Globetrotter, sondern rund die Hälfte aller Deutschen. Täglich spüren sie die Auswirkungen davon, dass ihre Arbeitszeiten sie zwingen aufzustehen, obwohl die innere Uhr noch auf Schlafen gestellt ist. Unternehmen können die Motivation und Gesundheit ihrer Mitarbeiter deutlich verbessern, indem sie sozialem Jetlag vorbeugen.
Es gibt zwei Schlaftypen: Lerchen und Eulen
Die Wissenschaft unterscheidet zwei Schlaftypen, den Frühtyp der Lerchen und den Spättyp der Eulen. Die verschiedenen Chronotypen (Zeittypen) lassen sich weiter unterteilen in extreme, moderate und leichte Frühtypen, Normaltypen und leichte, moderate und extreme Spättypen.
Der Spättyp ist etwa doppelt so häufig vom sozialen Jetlag betroffen wie der Frühtyp. Eine Umgewöhnung ist nicht möglich, versichern die Wissenschaftler. Der Typ ist genetisch bedingt und nicht veränderbar. Forscher haben auch herausgefunden, dass Naturvölker, die ohne künstliches Licht leben, keinen Spättyp entwickeln. Bei diesen Gruppen stehen alle bei Tagesanbruch auf.
Die Verteilung der Chronotypen
Wenn man davon ausgeht, dass zwischen dem Aufwachen und dem Eintreffen am Ort der Leistungserbringung (Schule, Betrieb) mindestens eine Stunde liegt, dann ist ein Arbeitsbeginn um 9.00 Uhr für die Hälfte der Bevölkerung zu früh.
Datenquelle: MCTQ – LMU München, Grafik: Michael Wieden, aliamos GmnH
Sozialer Jetlag begünstigt Krankheiten
Bereits eine Stunde vor der inneren Uhr aufstehen zu müssen, mindert die Leistungsfähigkeit und erhöht das Krankheitsrisiko. Je größer der soziale Jetlag ist, desto häufiger greifen die Betroffenen zu Alkohol und Zigaretten. Zu wenig Schlaf schwächt das Immunsystem, macht anfällig für Diabetes, Depressionen und Krebs, erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Obwohl das Phänomen des sozialen Jetlags und seine Folgen seit langem bekannt und wissenschaftlich belegt sind, wurden bisher keine Konsequenzen gezogen. Weder die Schulzeiten noch die üblichen Bürozeiten wurden geändert.
Beeinträchtigung der Arbeitsleistung
Der Schlafforscher Dr. Hans Günter Weeß hat errechnet, dass der deutschen Wirtschaft jährlich mehr als 200.000 Arbeitstage durch Schlafstörungen verloren gehen, weil die Beschäftigten chronisch unausgeschlafen – und damit weniger leistungsfähig sind.
Überhaupt beruhen neun Zehntel unseres Glücks allein auf der Gesundheit.
Arthur Schopenhauer
Selbstbestimmung ist notwendig
Arbeits- wie auch Pausenzeiten, die nicht den organischen Bedürfnissen entsprechen, sind massive Eingriffe in die Selbstbestimmung von Menschen. Jede Gesellschaft strebt nach möglichst großer Ähnlichkeit ihrer Mitglieder, gibt Maßstäbe, Bewertungen und Verhaltensmuster vor.
Sich dem Druck der Gesellschaft zu widersetzen und den angeborenen Eigenheiten den Vorrang zu geben, ist der Prozess der Individuation. Die wenigsten Menschen sind sich bewusst, dass ihre psychischen und physischen Leiden mit versäumten Individuationsprozessen zusammenhängen.
Auswirkungen auf das soziale Verhalten
Eine Studie der Universität Berkeley zeigt, dass Schlafmangel die Hilfsbereitschaft von Individuen, Gruppen und großen Gesellschaften verringert. Die Auswirkungen wurden während der Zeitumstellung auf die Sommerzeit beobachtet, wenn die Nacht um eine Stunde kürzer ist. Die Spendenbereitschaft sinkt in dieser Woche signifikant.
Smarte Unternehmen schaffen Lösungen
Arbeitgeber, die flexible Arbeitszeiten anbieten, leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung (Salutogenese) und verbessern das Betriebsklima. Zufriedenheit und Produktivität steigen und damit auch die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen. Dies ist ein immens wichtiger Bereich des Kulturwandels in Unternehmen.
Fazit sozialer Jetlag
Trotz der wissenschaftlichen Evidenz ist das Thema Chronobiologie bisher weder politisch noch arbeitsorganisatorisch angegangen worden. Es ist immer noch überlagert von Vorurteilen (der frühe Vogel fängt den Wurm) und Marginalisierung (stell dich nicht so an).
Kein Unternehmen würde eine Maschine heiß laufen lassen und riskieren, dass sie ausfällt. Die unterschiedlichen Leistungsspitzen der Mitarbeiter zu berücksichtigen, wäre unternehmerisch klug und würde den vielen Lippenbekenntnissen von Ganzheitlichkeit und dem Menschen im Mittelpunkt Substanz verleihen. Wir unterstützen Sie gerne bei der Transformation Ihres Unternehmens.