Integrales Denken — Was bedeutet das?
Integral ist die siebte Ebene des Entwicklungsmodells Spiral Dynamics. Integrale Denker zeichnen sich durch eine wachsende Perspektivfähigkeit, Integrationsbereitschaft, Flexibilität und konstruktiven Umgang mit Komplexität aus.
Dies ist der dritte Teil einer fünfteiligen Serie über das Modell Spiral Dynamics.
Teil 1 Was sind WMeme nach Graves
Teil 2 Spiral Dynamics - Kurze Einführung
Inhaltsübersicht
Integrale Theorie
Wikipedia notiert zur Integralen Theorie:Die integrale Theorie ist ein systematisches Modell für eine holistische, kosmisch-evolutionäre Welterklärung ohne materialistische Reduktion, sondern unter Einbeziehung der Eigenart und Wirksamkeit des Geistigen im Kosmos.
Heute wird mit dem Begriff integral meistens Ken Wilber assoziiert. Er hat das Modell Spiral Dynamics in seine integrale Theorie integriert und später abgewandelt, so dass es eine Menge Verwirrung bezüglich der Modelle gibt. Die Begriffe metamodern und teal meinen in etwa das Gleiche wie die integrale, siebte Ebene des originalen Modells Spiral Dynamics, um die es in diesem Artikel geht. Die Grundbegriffe der Integralen Theorie können Sie hier downloaden.
Inzwischen gibt es eine ganze Generation von integralen Denkern, welche die Theorie auf unterschiedliche Disziplinen anwenden und integrales Denken weiterentwickeln. Einen guten Einblick bekommen Sie auf dieser Webseite http://integralleadershipreview.com/.
Die integrale siebte Ebene
Das Verdienst von Spiral Dynamics ist es erklären zu können, warum Menschen auf gleiche Phänomene so unterschiedlich reagieren. Es beschreibt die Weltsichten und Denkstrukturen von Menschen.
Spiral Dynamics hat neun chronologische Entwicklungsebenen benannt, von denen die gelbe, siebte eine Art Zusammenfassung der ersten sechs ist.
Jede Entwicklungsebene entsteht durch Differenzierung und Integration, so dass höhere Ebenen die tieferen einschließen. Dennoch setzen die ersten sechs Ebenen ihre jeweilige Weltsicht absolut und werten andere Sichtweisen ab. Diese Intoleranz gegenüber anderen Weltsichten wird mit der integralen, gelben Stufe erstmals überwunden.
Meine Forschung deutet darauf hin, dass der Mensch lernt, dass Werte und Lebensweisen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung gut für ihn waren, aufgrund der veränderten Bedingungen seiner Existenz nicht mehr gut sind.
Clare W. Graves
Schaulogik - die Denkstruktur des Integralen
Unter Schaulogik versteht man die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven wertzuschätzen und dabei dem eigenen Wertesystem treu zu bleiben. Die Bezeichnung im integralen Vokabular lautet Aperspektivität. Schaulogik geht über die formale, empirisch analytische Rationalität hinaus zu einer dialogischen, dialektischen, netzwerkorientieren Rationalität, die sich auch mythologischen Bildern und der Intuition öffnet.
Gelb ist die Stufe, die integral-aperspektivisch denkt. Sie bricht nicht nur das Muster des recht-haben-wollens auf; sie verfügt über die Fähigkeit, die Konstruktionen der ersten sechs Entwicklungsebenen zu erkennen und ihr eigenes Verhalten entsprechend anzupassen, wodurch wirksame Lösungen erzielt werden.
Die Vorteile des integralen Denkens
Integrales Denken ist systemisch-kalaidoskopisch und immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Die mentale Flexibilität des integralen Denkers ist bemerkenswert. Er besitzt die Fähigkeit, jederzeit und von allem zu lernen und kann sein Verhalten variantenreich gestalten. Er findet Muster, Lücken und klare Wege innerhalb komplexer Situationen.
Integrale Denker sind prinzipientreu und haben einen starken ethischen Anker. Weil sie Zwänge und Ängste der früheren Ebenen überwunden haben, verfügen sie über größere Freiheitsgrade im Denken und Handeln. Diese Stufe ist in der Menschheitsgeschichte noch sehr jung (Anteil vielleicht 1-2% in der westlichen Welt).
Im Endeffekt wird komplexeres Denken weniger komplexes ausstechen, weil es höhere Freiheitsgrade im Umgang mit den veränderten Umständen erlaubt.
Clare W. Graves
Die Nachteile des integralen Denkens
Alle zuvor ausgeführten Eigenschaften des integralen Denkens lösen Probleme konstruktiv. Es gibt aber auch eine Schattenseite. Der integrale Denker macht sich ständig Gedanken über sich und ein funktionierendes Wir. Darüber, ob Dinge notwendig sind und wie Prozesse verbessert werden können. Es beobachtet und priorisiert innere Stimmen und deren Bedürfnisse, Gefühle und Intuitionen.
Gelb ist auf der Suche nach transpersonalen, ethischen Einsichten. Doch stößt es damit an die Grenzen seiner Denkstruktur. Es kommt aus dem personalen, dualistischen (Subjekt-Objekt-Beziehung) Denken nicht hinaus, auch wenn es möglicherweise trans-personale Erfahrungen durch Mediation gemacht hat.
Die Kopflastigkeit und das ausgeprägte Selbstwertgefühl machen integrale Denker nicht immer zu angenehmen Zeitgenossen. Bisweilen lassen sie Herzlichkeit und Leichtigkeit vermissen. Ihr blinder Fleck besteht darin, dass sie nach verbindenden Strategien suchen, obwohl die Trennung nur dadurch zustandekommt, dass der eigene Verstand sie erzeugt. Diese Paradoxität löst sich im Second-Tier auf.
Second-Tier im Modell Spiral Dynamics
Spiral Dynamics beschreibt Second-Tier als einen höheren Rang des Denkens, als eine andere Sicht auf das Leben, die das Geistige einbezieht. Das gelbe, integrale WMeme wird zur ersten Ebene des Second-Tier erklärt.
Das ist eine Interpretation aus First-Tier Sicht, ohne Einsicht in das Wesen des Second-Tier.
Integrales Denken ist die Zusammenfassung der ersten sechs First-Tier Perspektiven, mit einem neuen Freiheitsgrad der Multidimensionalität. Der Sprung vom recht haben des ersten Ranges zur Offenheit und Asperpektivität der gelben Stufe ist ein gewaltiger. Die Metamorphose zur Freiheit von Perspektiven – die Second-Tier ist – ist aber noch gewaltiger. Integral ist eine Übergangsstufe, nicht Second-Tier.
Über das Wesen des Second-Tier schreiben wir in dem Beitrag Second-Tier Thinker – was ist das. Unsere Kritik an der Schilderung des Second-Tier in Spiral Dynamics reflektieren wir in dem Beitrag Spiral Dynamics Kritik.
Fazit integrales Denken
Integrales Denken bedeutet, die unterschiedlichen Konstruktionen von Weltbildern erkennen und wertschätzen zu können. Die integrale Ebene ist die erste, die Komplexität zu nutzen versteht und friedliche Lösungen durch die Verbindung unterschiedlicher Perspektiven anstrebt. Integrales Denken ist sehr wertebewusst, es möchte keine Erfolge auf Kosten von anderen.
Trotz dieser ausgezeichneten Eigenschaften, ist integrales Denken noch nicht im Einklang mit der Natur, es ist nicht holistisch.