Spiral Dynamics - Kurze Einführung
Spiral Dynamics ist eine Entwicklungstheorie des Menschen, welche von dem amerikanischen Psychologen Dr. Clare W. Graves entwickelt wurde. Es ist ein Modell, welches die biologische - psychologische - soziale und spirituelle Entwicklung des Menschen in einer Spirale mit verschiedenen Bewusstseinsstufen beschreibt.
Inhaltsübersicht
Spiral Dynamics
Das Modell Spiral Dynamics beschreibt chronologische Stadien von Entwicklung. Jedes Stadium wird von einer bestimmten Art und Weise geprägt, WIE Menschen die Welt sehen, welche Werte (WMme) zentral sind und wie sie sich organisieren. Wenn Sie mit dem Modell noch nicht vertraut sind, empfiehlt es sich den Beitrag Was sind WMme nach Graves vorab zu lesen.
Übersicht über die First-Tier Stufen
Die erste Stufe (beige) ist rein instinktiv, es geht um das körperliche Überleben.
Die zweiten Stufe (purpur) ist animistisch. Menschen glauben an Geister und suchen Sicherheit durch Zugehörigkeit zu einem Stamm.
Die dritte Stufe (rot) ist egoistisch, es geht um Macht, Handeln und Ausbeutung.
Die vierte Stufe (blau) stellt dem Egoismus von rot eine absolutistische Ordnung entgegen. Jetzt geht es um Autorität, Wahrheit und Sinn. Blaue Strukturen sind typisch für religiöse Gemeinschaften und Staatsapparate wie Polizei oder Militär.
Mit der strategischen, fünften Stufe (orange) werden Autonomie, Erfolg, Materialismus und Wissenschaft die zentralen Themen. Jetzt blüht der Kapitalismus und Denken verfestigt sich auf der linear-kausalen Stufe, wodurch technischer Fortschritt enorm befördert wird.
Die relativistische, sechste Stufe (grün) möchte die Schattenseiten von orange mit Gleichheit, Harmonie und Gemeinschaftsgefühl kompensieren. Man kann sich darüber streiten, ob grün tatsächlich eine komplexere Stufe ist als orange, oder nur der Gegenpol (die Gruppe ist wichtiger als das Individuum) bei gleichbleibender Komplexität.
Die siebte Stufe (gelb) hat keine eigene Struktur jedoch die Fähigkeit, die Konstruktionen jeder Stufe erkennen und wertschätzen zu können. Als Konstruktionen bezeichnet man die Annahmen, die Weltbildern unterliegen. Es sind Überzeugungen, wie die Welt ist, die größtenteils unbewusst sind.
Gelb ist die erste Stufe, welche die eigene Weltsicht nicht mehr absolut setzt, sondern die Relativität aller Perspektiven erkennt. Deshalb ist die integrale Stufe gelb die erste, die Komplexität wertschätzt und nutzt.
Ein klassischer Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics besteht darin, komplexere Stufen per se als besser zu betrachten. Handlungsvarietät, die mit zunehmender Komplexität erreicht wird, ist ein großer Vorteil. Vor allem aber geht es um Angemessenheit in der Interaktion mit der Umwelt. Grüne Strategien in einer roten Umgebung funktionieren absolut nicht. Die Modifizierung von Lösungen für die entsprechende Stufe kann mit dem konstruktivistischen Weltbild (gelb) erstmals bewerkstelligt werden.
Second-Tier - Ein neuer Rang von Bewusstsein
Nach der Übergangsstufe gelb folgt die holistische (türkis) Stufe, deren zentrale Themen Komplexität, Wahrhaftigkeit und Vereinigung sind. Es ist der Beginn eines neuen Ranges (Second-Tier) von Bewusstsein, der durch Selbsttranszendenz entsteht. Die ausführliche Schilderung der Second-Tier Denkens finden Sie in unserem Beitrag Second-Tier Thinker - Was ist das?
Die zweite Ordnung ist ein Paradigmenwechsel, dessen wesentliches Merkmal das Überschreiten der Linearitätsschwelle ist. Die Existenzstufen des ersten Ranges haben ein linear-kausales Weltbild, dessen Ordnungskoordinaten Raum und Zeit sind. Die Dinge werden als separat existierend betrachtet und die Zusammenhänge zwischen ihnen mit Ursache-Wirkung-Denken erklärt.
Im zweiten Rang des Bewusstseins wird eine höhere, holistische Ordnung erkannt, in der alle Phänomene Ein- und Ausstülpungen einer fließenden, ungebrochenen Ganzheit sind. Geist, und nicht Materie, ist der Urstoff allen Seins. Diese Weltsicht wurde durch die Quantenphysik wissenschaftlich bestätigt.
Über die neunte Stufe (Koralle) gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse, nur Spekulationen.
Die Theorie von Spiral Dynamics besagt:
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dass sich Bewusstsein in Stufen entwickelt, die jeweils durch ein eigenes Wertesystem (WMeme) charakterisiert sind, welches Weltsicht und Handlungen prägt.
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dass die Entwicklung in einer bestimmten Reihenfolge (chronologisch) verläuft, alle Menschen also die gleichen Stadien durchlaufen.
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dass die Ebenen zwischen Selbstbehauptung und Selbstaufopferung für die Gemeinschaft wechseln. Warme Farben (beige, rot, orange, gelb) sind ich-zentriert, kalte Farben (purpur, blau, grün, türkis) sind auf die Gemeinschaft ausgerichtet.
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dass vertikal sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsentwicklungen möglich sind und jedes WMeme (Wertesystem) in einer gesunden und ungesunden Ausprägung existiert.
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dass Entwicklung dann entstehen kann, wenn die Umwelt komplexere Anforderungen an den Organismus (Menschen) stellt, der neue Bewältigungsmechanismen erforderlich macht.
[Wechselwirkungen sind eine First-Tier Denkweise, deshalb können sie nicht die Entstehung von Second-Tier Denken erklären. Anmerkung der Autorin] -
dass neue Ebenen durch Transzendenz erreicht werden und jede neue Ebene die vorherigen mit einschließt.
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dass der Wechsel vom First-Tier zum Second-Tier ein bedeutsamer Sprung sei. Die Begriffe Selbsttranszendenz und Nondualität werden in der Theorie nicht verwendet, sie sind aber Voraussetzung für das holistische Denken des Second-Tier.
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dass das erste-Rang Denken der Emergenz der zweiten-Rang Meme generell Widerstand leiste.
Don Edward Beck und Christopher C. Cowan
waren Schüler von Graves und prägten den Namen Spiral Dynamics. Sie entwickelten die Theorie für die Anwendung in Wirtschaft und Politik weiter.
Wesentliche Veränderungen waren die Bezeichnung der Ebenen mit Farben statt Buchstaben und die Verknüpfung des Begriffs der Wert-Meme (WMeme) mit der Lehre von Spiral Dynamics.
Die Vorzüge des Modells Spiral Dynamics
Spiral Dynamics ist ein System von Leadership, Werten und Wandel. Es erleichtert den Umgang mit sozialen Kräften und Komplexität.
Im Unterschied zu Typologien bietet Spiral Dynamics viel Raum für Individualität im Sinne C.G. Jungs.
Spiral Dynamics bemüht sich um einen angemessenen Umgang mit verschiedenen Bewusstseinsstufen.
Die Nachteile des Modells Spiral Dynamics
Mit der Aussage, dass eine Stufe (WMeme) im Vordergrund stehe, werden Menschen doch wieder in Schubladen sortiert, was ihrer individuellen Komplexität nicht gerecht wird.
Nicht verheimlichen möchte wir eine Kritik, die der Theorie mangelnde wissenschaftliche Qualität vorwirft. Die Stichhaltigkeit dieses Vorwurfs können wir nicht beurteilen.
Die Aussagen zum Second-Tier Bewusstsein sind aus der Perspektive des First-Tier entwickelt und deshalb unterkomplex. Die Annahme einer Wiederholung der ersten sechs Stufen auf Second-Tier ist ein Beispiel dafür, ebenso die Aussage, dass alle Entwicklung in Wechselwirkung mit der Umwelt entsteht.
Es müsste also dringend neue Forschungsarbeit zum Second-Tier geleistet werden. Das könnte aber nur von Forschern bewerkstelligt werden, die selbst die Linearitätsschwelle überschritten haben. Solange Wissenschaft linear-kausal arbeitet, kann sie komplexere Wirkprinzipien nicht erklären. An dieser Unmöglichkeit leiden bereits komplementäre Heilmethoden wie Akupunktur oder informative Medizin.
Wir haben eigene Erkenntnisse und weitere Quellen zusammengefügt und die integrale, gelbe Stufe als Übergangsstufe bezeichnet und den Beginn der zweiten Ordnung auf die türkise, holistische Stufe verlegt.
Fazit
Spiral Dynamics erklärt in überzeugender Weise die Unterschiede der ersten sechs Entwicklungsstufen. Die Ergebnisse passen harmonisch zu anderen Forschungsarbeiten wie der Bedürfnisentwicklung von Maslow, oder dem Strukturmodell des Bewusstseins von Jean Gebser.
Die wichtigste Erkenntnis von Spiral Dynamics Graves besteht darin, dass Menschen im First-Tier ihre relative Weltsicht absolut setzen. Sie sind sich der Relativität ihrer Perspektiven nicht im geringsten bewusst und können mit anderen Weltsichten nicht umgehen. Das gelingt aber der gelben, integralen Stufen. .
Mit der Selbsttranszendenz der zweiten Ordnung wird verstanden, dass es keine Realität gibt, die unabhängig vom eigenen Denken existiert. Realität und Bewusstseins sind eins. Daraus ergeben sich vollkommen andere Freiheitsgrade im Umgang mit dem Leben.
Quellen: Clare W. Graves: Sein Leben, Sein Werk von Rainer Krumm und Benedikt Parstorfer
Spiral Dynamics Leadership, Werte und Wandel von Don Edward Beck und Christopher C. Cowan