Die Entwicklungstheorie Spiral Dynamics

Grafik der neun Entwicklungsebenen von Spiral Dynamics

Spiral Dynamics ist eine Ent­wick­lungs­theo­rie des Men­schen, die in einem Modell komplexer werdender Weltsichten die Entwicklung des Menschen in Interaktion mit sich verändernden Umweltbedingungen beschreibt. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Aspekte der Theorie zusammen.

Dies ist der zweite Teil einer fünfteiligen Serie über Spiral Dynamics. Es empfiehlt sich, den ersten Teil Was sind WMeme nach Graves vorab zu lesen.

Inhaltsübersicht

Spiral Dynamics

Spiral Dynamics wurde von dem ame­rika­nischen Psy­cho­logen Dr. Clare W. Graves entwickelt wurde.  Es ist ein Mo­dell, das die bio­lo­gische – psy­cholo­gische – so­ziale Ent­wick­lung des Men­schen in einer Spi­rale komplexer werdender Weltsichten / Denkstrukturen be­schreibt.

Das Herzstück des Modells ist seine Beschreibung der Psychologie des reifen Menschen als ein sich entfaltender, emergenter, oszillierender, spiralförmiger Prozess, der durch die fortschreitende Unterordnung älterer Verhaltenssysteme niedrigerer Ordnung unter neuere Systeme höherer Ordnung gekennzeichnet ist, wenn sich die existentiellen Probleme des Menschen verändern.

Die Theorie befasst sich sowohl mit den Treibern von Dynamik, als auch mit der Beschreibung von chronologischen Stadien von Entwicklung. Jedes Stadium wird von einer bestimmten Art und Weise geprägt, wie Menschen die Welt sehen, welche Werte (WMme) zentral sind und wie sie sich organisieren. Wenn Sie mit dem Modell noch nicht vertraut sind, empfiehlt es sich den Beitrag Was sind WMme nach Graves vorab zu lesen. 

Die Entwicklung des Models Spiral Dynamics

Don Edward Beck und Chris­topher C. Cowan wa­ren Schü­ler von Graves und ersetzen den ursprünglichen Titel The emergent, cyclical, double-helix model of the adult human biopsychosocial systems development durch den Na­men Spi­ral Dy­namics. Sie ent­wickel­ten die Theo­rie für die An­wen­dung in Wirt­schaft und Poli­tik weiter.

We­sent­liche Ver­än­der­un­gen wa­ren die Be­zeich­nung der Ebe­nen mit Far­ben statt Buch­sta­ben und die Ver­knüpf­ung des Be­griffs der Wert-Meme (WMeme) mit der Lehre von Spiral Dynamics.

Der wissenschaftliche Ansatz von Spiral Dynamics

Graves bietet das sozio-psychologische Äquivalent der Darwinschen Anpassung an, die man als Auslöser des Äußeren bezeichnen könnte. Veränderungen in der Biologie der Spezies, entstehen im Laufe der Zeit als Reaktion auf Verschiebungen in der Umwelt. Diese Veränderungen sind sowohl strukturell als auch verhaltensbezogen, so dass alle Merkmale der Veränderung miteinander verwoben sind; das Innere für den einen ist das Äußere für den anderen.

Die Theorie von Graves ist im Wesentlichen ähnlich, denn das Auftauchen von Stadien wird von Veränderungen im Gehirn begleitet. Die Anpassung ist nicht auf die innere Einstellung beschränkt, auch hormonelle und neurophysiologische Veränderungen treten auf und Gehirnwellen-Rhythmen verändern sich.

Das Innere und das Äußere stehen in einem adaptiven Verhältnis. Menschen reagieren auf die äußeren Bedingungen und beeinflussen diese wiederum. Die Beziehung hat also eine Wechselseitigkeit, sie ist ein sich gegenseitiges Informieren.
  

Die Theorie Spiral Dynamics besagt:

  • dass die Entwicklung des Menschen  in Ebenen verläuft, die je­weils durch ein ei­genes Werte­system (WMeme) charak­teri­siert sind, wel­ches Welt­sicht und Hand­lungen prägt.

     

  • dass die Ent­wick­lung in einer be­stimmten Reihen­folge (chronologisch) ver­läuft, alle Men­schen also die glei­chen Sta­dien  durch­laufen.

     

  • dass die Ebe­nen zwischen Selbst­be­haup­tung und Selbstauf­opfer­ung für die Gemein­schaft wech­seln. Warme Farben (beige, rot, orange, gelb) sind ich-zentriert, kalte Farben (purpur, blau, grün, türkis) sind auf die Gemeinschaft ausgerichtet.

     

  • dass ver­tikal so­wohl Auf­wärts- als auch Ab­wärts­ent­wick­lun­gen mög­lich sind und je­des WMeme (Wertesystem) in einer gesunden und ungesunden Aus­prä­gung exis­tiert.

     

  • dass Ent­wick­lung dann ent­stehen kann, wenn die Um­welt kom­plexere An­for­der­un­gen an den Or­ga­nis­mus (Menschen) stellt, der neue Be­wäl­ti­gungs­me­cha­nis­men er­for­der­lich macht. 

     

  • dass neue Ebe­nen durch Trans­zen­denz er­reicht wer­den und jede neue Ebene die vor­her­igen mit ein­schließt.

     

  • dass der Wech­sel vom First-Tier zum Second-Tier ein be­deut­samer Sprung sei

     

  • dass das First-Tier Den­ken der Emer­genz der zwei­ten-Rang Meme gene­rell Wider­stand lei­ste.

 

Sechs Bedingungen für WMme Wandel

Damit sich Denkstrukturen oder Werte-Meme wandeln, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Potenzial für Veränderung: Ist es offen, blockiert oder geschlossen?

     

  • Die Vergangenheit und Gegenwart sind geklärt und überschüssige Energie für die Gestaltung der Zukunft ist vorhanden.

     

  • Es gibt genügend Dissonanz, um Veränderung zu wollen.

     

  • Hindernisse werden erkannt und beseitigt. Zunächst im Umfeld, dann in der eigenen Denkstruktur (eine Überzeugung wie: das Establishment lässt mich nicht hochkommen).

     

  • Es gibt Einsichten in Alternativen und neue Lösungen durch neue Perspektiven auf das Problem.

     

  • Konsolidierung (Stärkung) durch Integration der zuvor differenzierten Aspekte. Unterstützung während der Transformationsphase.



Arten von Veränderung

Spiral Dynamics beschreibt sieben Arten von Veränderung, von der Feinabstimmung bis zum großen Sprung. Prinzipiell sind sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsbewegungen möglich, die horizontal, diagonal oder vertikal verlaufen können.

Fünf Phasen von Veränderung

Bei der Transformation von einer Entwicklungsebene zur nächsten unterscheidet Spiral Dynamics fünf typische Phasen:

  • Alpha: Stabil und im Gleichgewicht

  • Beta: Zeit der Unsicherheit und des Infragestellens

  • Gamma: Zeit der Wut, Angst und Verwirrung

  • Delta: Inspirierte Begeisterung

  • Alpha neu: Stabilität auf der neuen Entwicklungsebene



Die First-Tier Ebenen von Spiral Dynamics

  • Die erste Ebene (beige) ist rein instinktiv, es geht um das körperliche Überleben.

     

  • Die zweite Ebene (purpur) ist animistisch. Menschen glauben an Geister und suchen Sicherheit durch Zugehörigkeit zu einem Stamm.

     

  • Die dritte Ebene (rot) ist egoistisch, es geht um Macht, Handeln und Ausbeutung.

     

  • Die vierte Ebene (blau) stellt dem Egoismus von rot eine absolutistische Ordnung entgegen. Jetzt geht es um Autorität, Wahrheit und Sinn. Blaue Strukturen sind typisch für religiöse Gemeinschaften und Staatsapparate wie Polizei oder Militär.

     

  • Mit der strategischen, fünften Ebene (orange) werden Autonomie, Erfolg, Materialismus und Wissenschaft die zentralen Themen. Jetzt blühen Kapitalismus und technischer Fortschritt.

    Spätestens auf dieser Ebene haben Menschen die Option, sich der intersubjektiven Normierung durch die WMeme zu widersetzen und sich auf die Suche nach der eigenen Wahrheit zu machen. Carl Gustav Jung nannte diesen Prozess Individuation. Spiral Dynamics zieht diese Möglichkeit nicht in Betracht.

     

  • Die relativistische, sechste Ebene (grün) möchte die Schattenseiten von orange mit Gleichheit, Harmonie und Gemeinschaftsgefühl kompensieren. Das grüne WMeme strebt nach Selbst-Aktualisierung und innerem Wachstum.

     

  • Die integrale, siebte Ebene (gelb) hat die Fähigkeit, die intersubjektiven Strukturen jeder Ebene zu erkennen und sich fließend zwischen ihnen zu bewegen.




Meine Forschung deutet darauf hin, dass der Mensch lernt, dass Werte und Lebensweisen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung gut für ihn waren, aufgrund der veränderten Bedingungen seiner Existenz nicht mehr gut sind.

Clare W. Graves




Der Wechsel zum Second-Tier

Spiral Dynamics bezeichnet die integrale, gelbe Ebene als die erste des zweiten Ranges, des geistigen Bewusstseins. Zu diesem Schluss kann man nur kommen, wenn man selbst nicht im Second-Tier ist. Graves hat kein Hehl daraus gemacht, dass er sich selbst dort nicht verortet.

Spiral Dynamics nimmt die Öffnung zur geistigen Wirklichkeit, die sich in schaulogischem Denken zeigt, als Kriterium für Second-Tier. Wir nennen die integrale Ebene eine Übergangsebene, der wir einen separaten Beitrag gewidmet haben. In weiteren Beiträge schildern wir das Second-Tier Denken, sowie unsere Kritik an Spiral Dynamics.


Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics

Ein klassischer Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics, besteht darin, komplexere Ebenen per se als besser zu betrachten. Handlungsvarietät, die mit zunehmender Komplexität erreicht wird, ist ein großer Vorteil. Vor allem aber geht es um Angemessenheit in der Interaktion mit der Umwelt.

Hätten Politiker verstanden, dass man imperialistischen Denkstrukturen (rot) nur mit solidem blau begegnen kann, dann wären sie nicht der Illusion erlegen, auf Wandel durch Handel (orange) zu setzen.

Fazit zum Modell Spiral Dynamics

Spi­ral Dy­namics ist eine Theorie von Entwicklungsebenen. Sie erläutert intersubjektive Realitäten, die unbewusst auf Menschen und Systeme einwirken. Die Ebenen und Unterschiede des First-Tiers werden überzeugend dargelegt. In Bezug auf das Second-Tier liegen gravierende Mängel vor.

Die wichtigste Erkenntnis von Spiral Dynamics besteht darin, dass Menschen im First-Tier ihre relative Weltsicht absolut setzen. Diese sind davon überzeugt, dass es einen bestimmten Weg gibt Dinge zu tun und fühlen sich von anderen Sichtweisen bedroht. Erst die integrale 7. Ebene bricht das Muster auf und findet zu friedlichen, kalaidoskopischen Lösungen.

Unser Ansatz beruht darauf, holistisches Denken für alle Menschen verfügbar zu machen, unabhängig von ihrer Entwicklungsebene. Es ist ein Game-Changer, der die Probleme zu lösen vermag, die durch First-Tier Logiken entstanden sind.

Quellen: Clare W. Graves: Sein Leben, Sein Werk von Rainer Krumm und Benedikt Parstorfer

Spiral Dynamics Leadership, Werte und Wandel von Don Edward Beck und Christopher C. Cowan

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