Spiral Dynamics - Kurze Einführung
Spiral Dynamics ist eine Entwicklungstheorie des Menschen, welche von dem amerikanischen Psychologen Dr. Clare W. Graves entwickelt wurde. Es ist ein Modell, das die biologische - psychologische - soziale und spirituelle Entwicklung des Menschen in einer Spirale mit verschiedenen Weltsichten/Denkstrukturen beschreibt.
Dies ist der zweite Teil einer vierteiligen Serie über Spiral Dynamics. Es empfiehlt sich, den ersten Teil Was sind WMeme nach Graves vorab zu lesen.
Inhaltsübersicht
- Spiral Dynamics
- Sechs Bedingungen für WMme Wandel
- Arten von Veränderung
- Die First-Tier Ebenen von Spiral Dynamics
- Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics
- Kritik am Modell Spiral Dynamics
- Second-Tier - Eine Weltsicht, welche die physikalische Realität überschreitet
- Die Theorie von Spiral Dynamics besagt:
- Don Edward Beck und Christopher C. Cowan
- Die Vorzüge des Modells Spiral Dynamics
- Die Nachteile des Modells Spiral Dynamics
Spiral Dynamics
Das Herzstück des Modells ist seine Beschreibung der Psychologie des reifen Menschen als ein sich entfaltender, emergenter, oszillierender, spiralförmiger Prozess, der durch die fortschreitende Unterordnung älterer Verhaltenssysteme niedrigerer Ordnung unter neuere Systeme höherer Ordnung gekennzeichnet ist, wenn sich die existentiellen Probleme des Menschen verändern.
Die Theorie befasst sich sowohl mit den Treibern von Dynamik, als auch mit der Beschreibung von chronologische Stadien von Entwicklung. Jedes Stadium wird von einer bestimmten Art und Weise geprägt, WIE Menschen die Welt sehen, welche Werte (WMme) zentral sind und wie sie sich organisieren. Wenn Sie mit dem Modell noch nicht vertraut sind, empfiehlt es sich den Beitrag Was sind WMme nach Graves vorab zu lesen.
Die besondere Qualität von Spiral Dynamics
Graves bietet das sozio-psychologische Äquivalent der Darwinschen Anpassung an, die man als Auslöser des Äußeren bezeichnen könnte. Veränderungen in der Biologie der Spezies entstehen im Laufe der Zeit als Reaktion auf Verschiebungen in der Umwelt. Diese Veränderungen sind sowohl strukturell als auch verhaltensbezogen, so dass alle Merkmale der Veränderung miteinander verwoben sind; das Innere für den einen ist das Äußere für den anderen.
Die Theorie von Graves ist im Wesentlichen ähnlich, denn das Auftauchen von Stadien wird von Veränderungen im Gehirn begleitet. Die Anpassung ist nicht auf die innere Einstellung beschränkt, auch hormonelle und neurophysiologische Veränderungen treten auf und Gehirnwellen-Rhythmen verändern sich.
Das Innere und das Äußere stehen in einem adaptiven Verhältnis. Menschen reagieren auf die äußeren Bedingungen und beeinflussen diese wiederum. Die Beziehung hat also eine Wechselseitigkeit, sie ist ein sich gegenseitiges Informieren. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Wirklichkeitsbeschreibung der neuen Physik.
Sechs Bedingungen für WMme Wandel
Damit sich Denkstrukturen oder Werte-Meme wandeln, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
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Potenzial für Veränderung: Ist es offen, blockiert oder geschlossen?
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Die Vergangenheit und Gegenwart sind geklärt und überschüssige Energie für die Gestaltung der Zukunft ist vorhanden.
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Es gibt genügend Dissonanz, um Veränderung zu wollen.
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Hindernisse werden erkannt und beseitigt. Zunächst im Umfeld, dann in der eigenen Denkstruktur (beispielsweise das Establishment lässt mich nicht hochkommen).
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Es gibt Einsichten in Alternativen und neue Lösungen durch neue Perspektiven auf das Problem.
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Konsolidierung durch Integration der zuvor differenzierten Aspekte. Unterstützung während der Transformationsphase.
Arten von Veränderung
Spiral Dynamics beschreibt sieben Arten von Veränderung, von der Feinabstimmung bis zum großen Sprung. Prinzipiell sind sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsbewegungen möglich, die horizontal, diagonal oder vertikal verlaufen können.
Das Bestechende an dem Modell Spiral Dynamics ist die Tatsache, dass es innerhalb der unendlichen Vielfalt von Entwicklungsprozessen den roten Faden gefunden hat, die universelle Veränderungsstruktur, die für Individuen und Gesellschaften gleichermaßen gilt. Daraus ergibt sich eine Landkarte, die das jeweils nächste Stadium schon beschreibt, welches man selbst noch nicht erkennen oder sich erschließen kann.
Die First-Tier Ebenen von Spiral Dynamics
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Die erste Ebene (beige) ist rein instinktiv, es geht um das körperliche Überleben.
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Die zweiten Ebene (purpur) ist animistisch. Menschen glauben an Geister und suchen Sicherheit durch Zugehörigkeit zu einem Stamm.
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Die dritte Ebene (rot) ist egoistisch, es geht um Macht, Handeln und Ausbeutung.
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Die vierte Ebene (blau) stellt dem Egoismus von rot eine absolutistische Ordnung entgegen. Jetzt geht es um Autorität, Wahrheit und Sinn. Blaue Strukturen sind typisch für religiöse Gemeinschaften und Staatsapparate wie Polizei oder Militär.
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Mit der strategischen, fünften Ebene (orange) werden Autonomie, Erfolg, Materialismus und Wissenschaft die zentralen Themen. Jetzt blüht der Kapitalismus und Denken verfestigt sich im linear-kausalen Denken, wodurch technischer Fortschritt enorm befördert wird.
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Die relativistische, sechste Stufe (grün) möchte die Schattenseiten von orange mit Gleichheit, Harmonie und Gemeinschaftsgefühl kompensieren. Man kann sich darüber streiten, ob grün tatsächlich eine komplexere Ebene ist als orange, oder nur der Gegenpol in dem Sinne, dass jetzt die Gruppe und nicht das Individuum an die erste Stelle gesetzt wird. Der Wechsel von individueller und kollektiver Ausrichtung der Ebenen ist Bestandteil des Modells.
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Die siebte Ebene (gelb) hat keine eigene Struktur jedoch die Fähigkeit, die Konstruktionen jeder Ebene erkennen und wertschätzen zu können. Als Konstruktionen bezeichnet man die Annahmen, die Weltbildern unterliegen. Es sind Überzeugungen wie die Welt ist, die größtenteils unbewusst sind.
Gelb ist die erste Ebene, welche die eigene Weltsicht nicht mehr absolut setzt, sondern die Relativität aller Perspektiven erkennt. Deshalb kann die integrale Ebene gelb Komplexität wertschätzen und nutzten.
Im Modell wird die integrale, gelbe Ebene als die erste des zweiten Ranges bezeichnet. Wir betrachten sie als eine Übergangsform und begründen das im Verlauf des Beitrags. Über die integrale Ebene haben wir einen separaten Artikel geschrieben. Ebenso über die Second-Tier Ebenen des Modells.
Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics
Ein klassischer Fehler im Umgang mit Spiral Dynamics, besteht darin, komplexere Ebenen per se als besser zu betrachten. Handlungsvarietät, die mit zunehmender Komplexität erreicht wird, ist ein großer Vorteil. Vor allem aber geht es um Angemessenheit in der Interaktion mit der Umwelt. Grüne Strategien in einer roten Umgebung funktionieren absolut nicht. Die Modifizierung von Lösungen für die entsprechende Ebene kann mit der integralen, gelben Ebene erstmals bewerkstelligt werden.
Kritik am Modell Spiral Dynamics
Die Schilderung der sechs First-Tier Ebenen sowie der gelben, integralen Ebene halten wir für ausgereift und überzeugend. Unsere Kritik bezieht sich auf einen konzeptionellen Mangel in Bezug auf Second-Tier Ebenen.
Zu Lebzeiten von Clare W. Graves gab es nur sehr wenige Denker zweiten Ranges wir vermuten hierin die Ursache für Mängel. Wir würden uns wünschen, dass neue Forschung die Ergebnisse von Graves überprüfen – und gegebenenfalls korrigieren würde.
Die Denkstruktur des ersten Ranges
First-Tier Denken, welches sich ab der roten Ebene entwickelt, zeichnet sich dadurch aus, dass eine Trennung von Subjekt und Objekt vorgenommen wird und die kausale Verbindung zwischen den Elementen gesucht wird. Es ist die typische dualistische Weltsicht, in der der Mensch sich als ein separates Wesen definiert.
Diese Denkstruktur wird auch auf der integralen, gelben Ebene noch nicht überschritten. Zwar strebt integrales Denken nach Integration aller Perspektiven, aber es übersieht dabei, dass sich wesentliche Teile der Wirklichkeit überhaupt nicht rational erfassen lassen, weil sie trans-rational sind.
Die Bereiche der WirklichkeitTrans-Rationales erschließt sich durch den Geist, durch das Bewusstsein, welches sich ausdifferenziert und höhere Dimensionen der Wirklichkeit erfassen kann. Die geistige Schau, das nicht-fragmentierende Erkennen der Ganzheit ist die Qualität des Second-Tier Denkens.
Spiral Dynamics thematisiert das Überschreiten der rationalen Denkweise nicht, welches aber erforderlich ist, um die türkise, holistische Ebene einzunehmen.
Notwendigkeit der Stufenabfolge
Spiral Dynamics geht davon aus, dass keine Ebene in dem Entwicklungsprozess übersprungen werden kann. Historische, erwachte Seelen wie Buddha, Jesus oder Krishna waren sicher keine integralen Denker, bevor sie die holistische (womöglich noch höhere ) Ebene erreicht haben.
Die Folgerung liegt nahe, dass Spiral Dynamics die trans-rationale Qualität von Second-Tier nicht wirklich erfasst hat. Diese Annahme wird untermauert durch Diskussionen, die wir mit professionellen Lehrern von Spiral Dynamics geführt haben. Die meisten von Ihnen befinden sich auf der integralen Denkstufe. Sie sind überzeugt, dass Second-Tier eine Erweiterung des Perspektivdenkens ist, auch auf den Ebenen, die der integralen folgen. Das ist eine First-Tier Perspektive auf Second-Tier Denken.
Second-Tier - Eine Weltsicht, welche die physikalische Realität überschreitet
Die holistische (türkise) Ebene hat Komplexität, Wahrhaftigkeit und Vereinigung als zentrale Themen. Es ist der Beginn eines neuen Ranges (Second-Tier) von Bewusstsein, der Meta-Physik und Physik, Innen und Außen vereinheitlicht. Die ausführliche Schilderung der Second-Tier Denkens finden Sie in unserem Beitrag Second-Tier Thinker - Was ist das?
Die zweite Ordnung ist ein Paradigmenwechsel, dessen wesentliches Merkmal das Überschreiten der Linearitätsschwelle ist. Die Subsistenzebenen (Subsistenz ist ein philosophischer Ausdruck für das Prinzip der Selbsterhaltung) des ersten Ranges haben zunächst ein prä-rationales Weltbild, aus dem sich ein rationales entwickelt, dessen wesentliches Merkmal elementaristisches Denken in Ursache-Wirkung Strukturen ist. Diese Denkstruktur setzt die Existenz von Einzelelementen voraus, deren Ordnungsprinzip Raum und Zeit sind.
Die Denkstruktur des Second-Tier geht von der Allverbundheit und Unteilbarkeit der geistigen Wirklichkeit aus, dessen Wirkprinzip Synchronizität (das Resonanzgesetz) und nicht Kausalität ist. Im zweiten Rang des Bewusstseins wird eine höhere, holistische Ordnung erkannt, in der alle Phänomene Ein- und Ausstülpungen einer fließenden, ungebrochenen Ganzheit sind. Geist, und nicht Materie, ist der Urstoff allen Seins. Diese Weltsicht wurde durch die Quantenphysik wissenschaftlich bestätigt.
Über die neunte Ebene (Koralle) gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse, nur Spekulationen.
Die Theorie von Spiral Dynamics besagt:
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dass sich Bewusstsein in Ebenen entwickelt, die jeweils durch ein eigenes Wertesystem (WMeme) charakterisiert sind, welches Weltsicht und Handlungen prägt.
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dass die Entwicklung in einer bestimmten Reihenfolge (chronologisch) verläuft, alle Menschen also die gleichen Stadien durchlaufen.
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dass die Ebenen zwischen Selbstbehauptung und Selbstaufopferung für die Gemeinschaft wechseln. Warme Farben (beige, rot, orange, gelb) sind ich-zentriert, kalte Farben (purpur, blau, grün, türkis) sind auf die Gemeinschaft ausgerichtet.
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dass vertikal sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsentwicklungen möglich sind und jedes WMeme (Wertesystem) in einer gesunden und ungesunden Ausprägung existiert.
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dass Entwicklung dann entstehen kann, wenn die Umwelt komplexere Anforderungen an den Organismus (Menschen) stellt, der neue Bewältigungsmechanismen erforderlich macht.
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dass neue Ebenen durch Transzendenz erreicht werden und jede neue Ebene die vorherigen mit einschließt.
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dass der Wechsel vom First-Tier zum Second-Tier ein bedeutsamer Sprung sei.
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dass das erste-Rang Denken der Emergenz der zweiten-Rang Meme generell Widerstand leiste.
Don Edward Beck und Christopher C. Cowan
waren Schüler von Graves und prägten den Namen Spiral Dynamics. Sie entwickelten die Theorie für die Anwendung in Wirtschaft und Politik weiter.
Wesentliche Veränderungen waren die Bezeichnung der Ebenen mit Farben statt Buchstaben und die Verknüpfung des Begriffs der Wert-Meme (WMeme) mit der Lehre von Spiral Dynamics.
Die Vorzüge des Modells Spiral Dynamics
Spiral Dynamics ist ein System von Leadership, Werten und Wandel. Es erleichtert den Umgang mit sozialen Kräften und Komplexität.
Im Unterschied zu Typologien bietet Spiral Dynamics viel Raum für Individualität im Sinne C.G. Jungs.
Spiral Dynamics bemüht sich um einen angemessenen Umgang mit verschiedenen Komplexitätsebenen von Weltsicht und Denken.
Die Nachteile des Modells Spiral Dynamics
Mit der Aussage, dass eine Ebene (WMeme) im Vordergrund stehe, werden Menschen doch wieder in Schubladen sortiert, was ihrer individuellen Komplexität nicht gerecht wird.
Nicht verheimlichen möchten wir eine Kritik, die der Theorie mangelnde wissenschaftliche Qualität vorwirft. Die Stichhaltigkeit dieses Vorwurfs können wir nicht beurteilen.
Die Aussagen zum Second-Tier Denken sind aus der Perspektive des First-Tier entwickelt und deshalb unterkomplex. Es müsste dringend neue Forschungsarbeit zum Second-Tier geleistet werden. Das könnte aber nur von Forschern bewerkstelligt werden, die selbst die Linearitätsschwelle überschritten haben. Solange Wissenschaft linear-kausal arbeitet, kann sie komplexere Wirkprinzipien nicht erklären. An dieser Unmöglichkeit leiden bereits komplementäre Heilmethoden wie Akupunktur oder informative Medizin.
Fazit zum Modell Spiral Dynamics
Spiral Dynamics erklärt in überzeugender Weise die Unterschiede der ersten sechs Subsistenzebenen. Die Ergebnisse passen harmonisch zu anderen Forschungsarbeiten wie der Bedürfnisentwicklung von Maslow, oder dem Strukturmodell des Bewusstseins von Jean Gebser.
Die wichtigste Erkenntnis von Spiral Dynamics besteht darin, dass Menschen im First-Tier ihre relative Weltsicht absolut setzen. Sie sind sich der Relativität ihrer Perspektiven nicht im geringsten bewusst und können mit anderen Weltsichten nicht umgehen. Das gelingt erst ab der gelben, integralen Ebene.
Mit der Bewusstseinsentwicklung der zweiten Ordnung wird verstanden, dass es keine Realität gibt, die unabhängig vom eigenen Denken existiert. Daraus ergeben sich vollkommen andere Freiheitsgrade im Umgang mit dem Leben.
Quellen: Clare W. Graves: Sein Leben, Sein Werk von Rainer Krumm und Benedikt Parstorfer
Spiral Dynamics Leadership, Werte und Wandel von Don Edward Beck und Christopher C. Cowan